Neue Einblicke in die Rolle von Komplementaktivierung und Thromboinflammation bei Long Covid
19. Januar 2024Eine Studie mit 152 Teilnehmenden untersuchte die Rolle der Komplementaktivierung und Thromboinflammation bei Long Covid. Über 6500 Proteine im Blutserum wurden analysiert. Die Ergebnisse zeigten, dass Long Covid mit erhöhter Komplementaktivierung und thromboinflammatorischen Prozessen einhergeht. Diese umfassen gesteigerte Aktivierung von Blutplättchen und Schädigung des Gewebes. Die Studie bietet neue Einblicke in die Pathophysiologie von Long Covid und unterstützt die Entwicklung neuer diagnostischer und therapeutischer Ansätze.
Long Covid, eine belastende Erkrankung nach einer SARS-CoV-2-Infektion, bleibt in seiner Ursache noch weitgehend unverstanden. Etwa 5% aller Infizierten erholen sich nicht vollständig von der akuten Phase und entwickeln langfristige Komplikationen, die als Long Covid bekannt sind. Bislang fehlen diagnostische Tests und spezifische Therapieansätze für diese Patient*innengruppe.
Studiendesign und Methodik
In einer aktuellen Studie wurden 39 gesunde Kontrollpersonen und 113 COVID-19-Patient*innen bis zu einem Jahr nach der initialen SARS-CoV-2-Infektion begleitet. Bei 40 der Patient*innen wurden Long Covid-Symptome festgestellt. Insgesamt wurden über 6500 Proteine im Blutserum mittels Proteomik untersucht. Durch den Einsatz von computergestützten Tools und experimentellen Methoden konnten Schlüsselbiomarker identifiziert werden.
Proteomik ist die umfassende Erforschung von Proteinen, einschließlich ihrer Strukturen, Funktionen und Interaktionen. Sie analysiert die Gesamtheit der Proteine einer Zelle, eines Gewebes oder Organismus, um biologische Prozesse und Krankheitsmechanismen zu verstehen. Proteomik nutzt fortgeschrittene Technologien wie Massenspektrometrie.
Ergebnisse: Komplementaktivierung und Thromboinflammation
Die Ergebnisse zeigen, dass Patient*innen mit aktivem Long Covid eine erhöhte Aktivierung des Komplementsystems aufwiesen, sowohl während der akuten Krankheitsphase als auch in der 6-Monats-Nachfolgeuntersuchung. Das Komplementsystem, Teil des angeborenen Immunsystems, spielt eine wesentliche Rolle bei der Immunabwehr und Homöostase. Interessanterweise normalisierten sich die Blutkomplementwerte bei denjenigen, die sich vor der 6-Monats-Kontrolle erholten. Ein Ungleichgewicht in der Bildung des terminalen Komplementkomplexes (TCC), bestehend aus den Komponenten C5b-9, führte zu erhöhten löslichen C5bC6-Komplexen und einem Rückgang der C7-haltigen TCC-Formationen, die in Zellmembranen eingebaut werden können. Dies deutet auf eine vermehrte Einlagerung von TCCs in die Zellmembranen bei Long Covid-Patient*innen hin, was zu Gewebeschäden beitragen könnte.
Homöostase ist der Prozess, durch den lebende Organismen ein stabiles internes Gleichgewicht aufrechterhalten, trotz äußerer Veränderungen. Sie umfasst die Regulierung von Temperatur, pH-Wert, Feuchtigkeit und anderen lebenswichtigen Parametern für optimale Funktionsfähigkeit.
Der terminale Komplementkomplex (TCC), bestehend aus den Komponenten C5b-9, ist ein Teil des Komplementsystems. Er bildet sich als Endprodukt der Komplementaktivierung und kann in Zellmembranen eindringen, was zur Lyse (Zerstörung) der Zielzellen führt.
Weitere Marker und ihre Bedeutung
Zusätzlich zeigten Long Covid-Patient*innen erhöhte Marker für Endothelaktivierung, wie den von-Willebrand-Faktor, und Anzeichen für rote Blutkörperchen-Lyse. Niedrige Antithrombin-III-Spiegel waren mit Anzeichen für eine verstärkte Spaltung durch Thrombin verbunden, einem Treiber der TCC-Bildung. Es wurden auch erhöhte Marker für Thrombozytenaktivierung und Monozyten-Thrombozyten-Aggregate festgestellt, besonders bei Patient*innen, bei denen Long Covid länger als 12 Monate anhielt. Diese Patient*innen zeigten auch Anzeichen einer antikörpervermittelten Aktivierung des klassischen Komplementwegs, assoziiert mit erhöhten Antikörpertitern gegen Herpesviren wie CMV und EBV.
Der von-Willebrand-Faktor (vWF) ist ein wichtiges Blutprotein, das bei der Blutgerinnung eine zentrale Rolle spielt. Er fördert die Anhaftung von Blutplättchen an verletzte Blutgefäßwände und stabilisiert den Gerinnungsfaktor VIII, wesentlich für die Blutstillung.
Blutkörperchen-Lyse bezeichnet den Prozess der Zerstörung oder Auflösung von Blutzellen, typischerweise roten Blutkörperchen. Dies kann durch externe Faktoren wie Toxine, mechanische Zerstörung oder eine fehlerhafte Immunreaktion verursacht werden und führt zum Freisetzen ihres Inhalts ins Blut.
Schlussfolgerungen und Ausblick
Die Studie liefert wichtige Hinweise darauf, dass aktives Long Covid durch eine charakteristische Blutprotein-Signatur gekennzeichnet ist, die sich durch erhöhte Komplementaktivierung und Thromboinflammation auszeichnet. Dies umfasst aktivierte Blutplättchen und Marker für rote Blutkörperchen-Lyse. Gewebeschäden könnten auch durch das Komplementsystem verursacht werden und dieses wiederum aktivieren. Darüber hinaus könnte die Komplementaktivierung durch Antigen-Antikörper-Komplexe, einschließlich Autoantikörpern und Antikörpern gegen Herpesviren, sowie durch eine dysregulierte Gerinnungskaskade angetrieben werden. Diese Erkenntnisse bieten eine neue Perspektive auf die Pathophysiologie von Long Covid und sind entscheidend für die Entwicklung zukünftiger diagnostischer und therapeutischer Ansätze, die auf die Modulation des Komplementsystems und die Behandlung der thromboinflammatorischen Prozesse abzielen.