Forschung
Die Forschung und Behandlung von ME/CFS und Post-COVID-Syndrom stehen vor großen Herausforderungen. Während Deutschland in der biomedizinischen Forschung hinterherhinkt, setzen Initiativen wie die ME/CFS Research Foundation neue Impulse. Internationale Kooperationen, die Einbeziehung von Patient*innen-Organisationen und eine verbesserte medizinische Ausbildung sind entscheidend. Die Entwicklung von Biomarkern und effektiven Therapien wird dringend benötigt. Ein ganzheitlicher Ansatz, der Forschung, Versorgung und Bildung integriert, sowie eine stärkere finanzielle Unterstützung sind für signifikante Verbesserungen unerlässlich.
- Herausforderungen und Notwendigkeit der Forschung zu ME/CFS und Post-COVID-Syndrom
- IQWiG-Bericht
- Forschungsförderung und die Bedeutung qualitativ hochwertiger Studien
- Innovationspotenzial durch Kompetenzzentren und Forschungsnetzwerke
- Neue Wege in der Behandlung und Management von ME/CFS und Post-COVID-Syndrom
- Der Einfluss von Patient*innen-Organisationen und unabhängigen Forschungsinitiativen
- Schlussfolgerungen: Zukünftige Schritte zur Verbesserung der Forschung und Behandlung
1. Herausforderungen und Notwendigkeit der Forschung zu ME/CFS und Post-COVID-Syndrom
Die Forschung zu ME/CFS und dem Post-COVID-Syndrom steht vor erheblichen Herausforderungen und ist von essenzieller Bedeutung. Einer der größten Herausforderungen in diesem Bereich ist der historische Rückstand in der Forschung. Die Anzahl der Studien und die Höhe der Forschungsförderung für ME/CFS sind im Vergleich zu anderen chronischen Erkrankungen wie Multipler Sklerose oder Rheumatoider Arthritis erheblich niedriger. Beispielsweise wurde die Anzahl der ME/CFS-Studien, die bereits 1984/85 für Multiple Sklerose erreicht wurde, bis heute nicht überschritten, und die Fördermittel für ME/CFS betragen nur einen Bruchteil derer, die für Multiple Sklerose bereitgestellt wurden.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Notwendigkeit, umfassende und qualitativ hochwertige Studien durchzuführen. Viele der bestehenden Studien zu ME/CFS leiden unter geringen Teilnehmer*innen-Zahlen und beschränkten Budgets, was ihre Aussagekraft erheblich einschränkt. Große, multizentrische und multinationale Studien sind erforderlich, um Hypothesen zur Pathophysiologie von ME/CFS zu validieren und mögliche Subgruppen innerhalb der Erkrankung zu identifizieren.
Die Qualität der Forschung zu ME/CFS ist ein weiteres kritisches Thema. Die britische Gesundheitsbehörde NICE hat beispielsweise festgestellt, dass die Qualität der Evidenz aus Studien zu ME/CFS, insbesondere zu Therapieformen wie der Graded Exercise Therapy und der Kognitiven Verhaltenstherapie, sehr niedrig ist. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, die Forschungsmethoden und -designs zu verbessern, um zuverlässige und aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen.
Darüber hinaus wird die Subgruppe der ME/CFS-Erkrankten in der Post-COVID-Forschung weitgehend ignoriert. Dies ist eine verpasste Gelegenheit, die Entstehung und den Verlauf von ME/CFS umfassend zu untersuchen. Die Einbeziehung von ME/CFS in die Post-COVID-Forschung könnte die Anzahl der jährlichen Studien zu ME/CFS erheblich erhöhen und die Qualität der Forschung verbessern, indem ME/CFS-Patient*innen als eigene Subgruppe betrachtet werden.
Ein positives Beispiel für die Überwindung dieser Herausforderungen ist die Nationale Klinische Studiengruppe (NKSG) für ME/CFS und das Post-COVID-Syndrom. Diese Gruppe verbindet die Therapieforschung mit einem Biomarkerprogramm in enger Zusammenarbeit mit Patient*innen-Organisationen. Solche Initiativen ermöglichen es, Rückschlüsse auf die Pathophysiologie zu ziehen und basierend auf den Ergebnissen neue Therapien oder Forschungsbereiche zu identifizieren. Angesichts der durch die Pandemie wahrscheinlich verdoppelten Anzahl von ME/CFS-Betroffenen ist es dringender denn je, in die Forschung zu investieren.
Die Dringlichkeit der ME/CFS-Forschung ist klar erkennbar. Es besteht ein erheblicher Bedarf an umfassender, qualitativ hochwertiger und innovativer Forschung, um die Wissenslücken zu schließen und wirksame Behandlungsansätze für Betroffene zu entwickeln. Die enge Zusammenarbeit zwischen Forschenden, Patient*innen-Organisationen und der medizinischen Gemeinschaft spielt dabei eine entscheidende Rolle.
2. IQWiG-Bericht
Der umfassende Bericht des IQWiG zu ME/CFS, im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit erstellt, bietet eine tiefgehende Analyse des aktuellen Wissensstandes über diese Erkrankung. Er konzentriert sich auf die systematische Aufarbeitung der Symptome, vermuteten Ursachen, epidemiologischen Daten und aktuellen Diagnosekriterien von ME/CFS. Besonders betont wird dabei die Unklarheit der Ursachen und die symptomorientierte Diagnose aufgrund fehlender eindeutiger Biomarker.
In der Evidenzkartierung wurden verschiedene Therapieoptionen untersucht, wobei der Bericht einen kurz- bis mittelfristigen Nutzen der kognitiven Verhaltenstherapie feststellt (was in der Wissenschafts-Community jedoch sehr umstritten ist). Andererseits wird die Aktivierungstherapie (GET) kritisch betrachtet, da ihr Nutzen aufgrund potenzieller schwerer Nebenwirkungen fraglich ist.
Der Bericht enthält zudem umfangreiche Gesundheitsinformationen und Handlungsempfehlungen, die sich auf die Notwendigkeit einer verbesserten Aufklärung, eines internationalen Konsenses über Diagnosekriterien und der Verstärkung der Forschungsbemühungen konzentrieren. Diese Elemente zeigen deutlich die Komplexität von ME/CFS und die Dringlichkeit, Forschung, Diagnose und Behandlung dieser Erkrankung zu verbessern.
3. Forschungsförderung und die Bedeutung qualitativ hochwertiger Studien
Situation in Deutschland
Die Forschung zu ME/CFS sowie zum Post-COVID-Syndrom bedarf dringend einer intensiveren Förderung in Deutschland. Trotz der steigenden Prävalenz und der schwerwiegenden Auswirkungen dieser Erkrankungen auf die Lebensqualität der Betroffenen, ist die Forschung in diesen Bereichen im internationalen Vergleich stark unterfinanziert und fragmentiert. Die Komplexität der Symptome, die bei Normalbefunden der Organe nach der Akutinfektion fortbestehen oder neu auftreten, erfordert eine interdisziplinäre Herangehensweise.
Die Herausforderungen in der Erforschung von ME/CFS in Deutschland sind vielschichtig. Eine der größten Hürden ist die mangelnde Anerkennung der biomedizinischen Anomalien und die Tendenz, ME/CFS psychopathologisch zu deuten. Dies führt dazu, dass Deutschland in Bezug auf die internationalen Forschungsstandards zu ME/CFS weit zurückliegt. Zudem werden die internationalen Forschungsergebnisse zu ME/CFS in Deutschland kaum berücksichtigt, was sich auch in der ärztlichen Aus- und Fortbildung niederschlägt.
Internationale Perspektive
Im internationalen Vergleich gibt es Länder, die bessere Versorgungsstrukturen und innovative Forschungsansätze für ME/CFS anbieten. Norwegen zum Beispiel nutzt internationale Forschungsergebnisse, um bessere Versorgungsstrukturen zu schaffen und konzentriert sich dabei auf patient*innenorientierte Behandlungsstudien. Die Forschungsarbeit von Øystein Fluge und Olav Mella in Norwegen, die zeigen, dass ME/CFS eine organische und keine psychiatrische Krankheit ist, hat große Bedeutung für die Einordnung und öffentliche Wahrnehmung der Krankheit.
Nationaler Aktionsplan für ME/CFS
In Reaktion auf diese Herausforderungen wurde ein nationaler Aktionsplan für ME/CFS und das Post-COVID-Syndrom vorgeschlagen. Dieser Plan zielt darauf ab, das relevante Wissen und die fachliche Expertise zentral zu koordinieren, um eine effiziente Nutzung der Ressourcen zu gewährleisten und eine flächendeckende Versorgung sowie effiziente Therapieentwicklung zu ermöglichen.
Schlüsselelemente des Aktionsplans
- Zentrale Koordinationsstelle und Task-Force: Diese soll die Vergabe von Fördermitteln für die Therapieentwicklung steuern und ein Forschungsnetzwerk für das Post-COVID-Syndrom und ME/CFS aufbauen.
- Gezielte Förderung zur Entwicklung biomedizinischer Therapiemöglichkeiten: Der Fokus liegt auf der Entwicklung wirksamer kausaler Therapieoptionen, da die bisherigen Behandlungsansätze meist nur symptomorientiert sind.
- Grundlagenforschung: COVID-19 bietet ein einzigartiges Zeitfenster zur Erforschung der pathogenen Mechanismen von ME/CFS und dem Post-COVID-Syndrom.
- Therapieforschung: Es wird empfohlen, auf der Basis aktueller Erkenntnisse gezielte und maßgeschneiderte Behandlungskonzepte zu entwickeln.
- Diagnostikforschung: Die Entwicklung eines diagnostischen Algorithmus, der auf symptombasierten Diagnosekriterien und potenziellen Biomarkern basiert, wird als wichtig erachtet.
- Versorgungsforschung: Strategien zur raschen und flächendeckenden Verbesserung der Versorgung unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben sind erforderlich.
Finanzierung und Implementierung
Für die Umsetzung des Aktionsplans werden insgesamt mindestens 130 Millionen Euro für einen Zeitraum von 24 Monaten vorgeschlagen, wobei 60 Millionen Euro für Forschung und Register, 50 Millionen Euro für Kompetenzzentren und 20 Millionen Euro für eine Aufklärungskampagne vorgesehen sind.
Bedeutung für die Forschung
Die Durchführung dieses Aktionsplans kann einen signifikanten Einfluss auf die Qualität und Effizienz der Forschung zu ME/CFS und Post-COVID-Syndrom haben. Durch die gezielte Förderung und Koordination der Forschungsbemühungen könnten innovative Behandlungsmethoden und Diagnosetechniken entwickelt werden, die maßgeblich zur Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen beitragen. Weiterhin würde dies die Grundlage für eine bessere Verständnis der Krankheitsmechanismen schaffen und somit auch zur globalen Forschung in diesem Bereich beitragen.
4. Innovationspotenzial durch Kompetenzzentren und Forschungsnetzwerke
Die Etablierung von Kompetenzzentren und Forschungsnetzwerken für ME/CFS und Post-COVID-Syndrom in Deutschland bietet ein enormes Innovationspotenzial. Diese Zentren und Netzwerke stellen eine wichtige Antwort auf die dringende Notwendigkeit einer verbesserten Versorgung und Forschung in diesem Bereich dar.
Dringlichkeit und Herausforderungen
ME/CFS und das Post-COVID-Syndrom sind komplexe Erkrankungen mit neurologischen, immunologischen und kardiovaskulären Symptomen, die oft nach einer akuten Infektion fortbestehen oder neu auftreten. Diese Erkrankungen sind in der medizinischen Versorgung in Deutschland bislang nicht ausreichend berücksichtigt worden. Mindestens 10 Prozent der SARS-CoV-2-Infizierten entwickeln langanhaltende Symptome, die länger als drei Monate andauern, was die WHO dazu veranlasst hat, den Post-COVID-Zustand als eigenständiges Krankheitsbild zu definieren.
Überschneidungen zwischen ME/CFS und Post-COVID-Syndrom
Studien weisen auf zentrale Überschneidungen zwischen moderaten und schweren Ausprägungen des Post-COVID-Syndroms und ME/CFS hin. Zu den Leitsymptomen beider Erkrankungen gehören unter anderem die Post-Exertionelle Malaise (PEM), postvirale Fatigue sowie neurokognitive Störungen.
Konzept und Zielsetzung der Kompetenzzentren
Die Einrichtung von Kompetenzzentren zielt darauf ab, die Diagnostik und Forschung von ME/CFS und Post-COVID-Syndrom zu verbessern und eine bedarfsgerechte Versorgung der Betroffenen zu gewährleisten. Dies erfordert eine interdisziplinäre und multiprofessionelle Ausrichtung, einschließlich einer umfassenden Diagnostik und Versorgung. Zentrale Aspekte sind dabei die Einbeziehung verschiedener Fachbereiche wie Endokrinologie, Kardiologie, Neurologie und Pädiatrie sowie die Berücksichtigung von internationalen Diagnosestandards und die Umsetzung von Selbstmanagementstrategien wie „Pacing“.
Forschungsfokus der Kompetenzzentren
Die Forschungsanbindung der Kompetenzzentren umfasst Grundlagenforschung, Therapie-, Diagnostik- und Versorgungsforschung. Besonders die Biomarkerforschung für ME/CFS und das Post-COVID-Syndrom bietet innovative Ansätze. Durch die Vernetzung mit bestehenden Forschungsprojekten und die Beteiligung am ME/CFS-Register können wichtige Erkenntnisse gewonnen und weiterentwickelt werden.
Vernetzung und Wissenstransfer
Ein wichtiger Aspekt ist der Wissenstransfer durch bestehende Ambulanzen. Fortbildungen und Hospitationsprogramme sollen dazu beitragen, dass das vorhandene klinische Wissen effizient genutzt und verbreitet wird.
Beratungs- und Koordinationsstellen
Die Einrichtung von Beratungs- und Koordinationsstellen soll Betroffene und deren Angehörige über die Erkrankung, behandelnde Ärzt*innen und Unterstützungsangebote informieren. Diese Stellen sollen sowohl medizinische als auch sozial- und arbeitsrechtliche Fragestellungen behandeln.
Qualitätssicherung und Standorte
Zur Qualitätssicherung ist ein zentrales Beschwerdemanagement vorgesehen. Das Netzwerk von Kompetenzzentren sollte flächendeckend aufgebaut werden, um auch schwer Erkrankten eine ortsnahe Versorgung zu ermöglichen.
Budgetierung und lokale Versorgungsnetzwerke
Für die Anschubfinanzierung der Kompetenzzentren sind 32–40 Millionen Euro für erwachsene Patient:innen und 12–15 Millionen Euro für Kinder und Jugendliche vorgesehen. Zusätzlich ist eine ergänzende Förderung für ein landesweites ME/CFS-Register geplant. Es wird betont, dass neben den Kompetenzzentren auch ein Ausbau der Versorgungsangebote von Allgemein- und Fachärzt*innen erforderlich ist.
Vergütungen und weitere Maßnahmen
Aufgrund des hohen diagnostischen und therapeutischen Aufwands sind zusätzliche Vergütungen der medizinischen Leistungen erforderlich. Hierzu gehören spezielle Fallpauschalen und die Einführung von Disease-Management-Programmen für Post-COVID-Syndrom und ME/CFS.
Insgesamt bieten die geplanten Kompetenzzentren und Forschungsnetzwerke eine innovative Plattform, um die Versorgung und das Verständnis von ME/CFS und Post-COVID-Syndrom zu verbessern und damit die Lebensqualität der Betroffenen nachhaltig zu steigern.
Forschungsfokus der Kompetenzzentren
Die Forschungsanbindung der Kompetenzzentren umfasst Grundlagenforschung, Therapie-, Diagnostik- und Versorgungsforschung. Besonders die Biomarkerforschung für ME/CFS und das Post-COVID-Syndrom bietet innovative Ansätze. Durch die Vernetzung mit bestehenden Forschungsprojekten und die Beteiligung am ME/CFS-Register können wichtige Erkenntnisse gewonnen und weiterentwickelt werden.
5. Neue Wege in der Behandlung und Management von ME/CFS und Post-COVID-Syndrom
Mindestens 10% aller SARS-CoV-2-Infizierten entwickeln Symptome des Post-COVID-Syndroms, die länger als drei Monate andauern. Ein wesentlicher Teil dieser Erkrankten erfüllt nach sechs Monaten die Diagnosekriterien für ME/CFS. Die Situation bei Kindern und Jugendlichen zeigt eine signifikante Beanspruchung der medizinischen Versorgung nach SARS-CoV-2-Infektionen. Studien legen nahe, dass bis zu 80% der an Post-COVID-Syndrom Erkrankten über mehr als zwölf Monate Symptome aufweisen, was auf einen chronischen Krankheitszustand hinweist.
Pathomechanismen und Diagnostik
Die Pathomechanismen von ME/CFS und Post-COVID-Syndrom sind komplex und umfassen Autoimmunität, Störungen des autonomen Nervensystems und dysfunktionale Gefäßfunktionen. Aufgrund fehlender Biomarker erfolgt die Diagnose bisher primär aufgrund klinischer Kriterien. Die Corona-Pandemie bietet ein einzigartiges Fenster zur Erforschung dieser Krankheitsmechanismen. Wichtige Forschungsbereiche umfassen Autoimmunität, Immundysregulation, endotheliale Dysfunktion, autonome Dysfunktion und virale Persistenz.
Forschungs- und Therapieansätze
Die Nationale Klinische Studiengruppe ME/CFS und Post-COVID-Syndrom (NKSG CFS/PCS) unter der Leitung von Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen fokussiert auf die Entwicklung von Therapien und die Implementierung von Biomarker- und Diagnostikplattformen. Vorhandene Medikamente und Medizinprodukte, die die zugrunde liegenden Krankheitsprozesse beeinflussen, werden als vielversprechende therapeutische Angriffspunkte betrachtet. Die exakte Diagnostik zur Erfassung von Subgruppen ist dabei essenziell.
Förderungsrichtlinien und Patient*innen-Beteiligung
Förderungsrichtlinien sollen Patient*innen mit ME/CFS nach anderen Infektionen sowie Patient*innen mit Post-COVID-Syndrom einbeziehen. Etablierte Patient*innen-Organisationen sollten in den Prozess der Vergabeprüfung und in Forschungsprojekte einbezogen werden. Die Kriterien für die Förderung von Forschungsvorhaben beinhalten den Zugang zu bestehenden ME/CFS- und Post-COVID-Patient*innen-Kohorten sowie zu Post-COVID-Biodaten. Nationale und internationale Standards zur Qualitätssicherung von Forschungsvorhaben sind von großer Bedeutung.
Klinische Phänotypisierung und Diagnostik
Eine genaue klinische Phänotypisierung von ME/CFS- und Post-COVID-Syndrom-Subgruppen unter Berücksichtigung von Biomarkern und internationalen Diagnosestandards ist notwendig. Dies dient der genaueren Diagnostik und der Entwicklung von Behandlungsansätzen.
Versorgungsstrategien
Neben Forschungszielen sollten Strategien für eine verbesserte altersübergreifende und flächendeckende Versorgung entwickelt werden. Derzeit sind die medizinischen Versorgungsmöglichkeiten durch Ambulanzen begrenzt und unzureichend auf die Bedürfnisse der Betroffenen eingestellt. Eine gezielte Förderung von Ambulanzen und Kompetenzzentren ist notwendig, wobei Fachbereiche wie Kardiologie, Immunologie, Mikrobiologie, Neurologie und Pneumologie einbezogen werden sollten. Die Beteiligung von Patient*innen-Organisationen an der Etablierung von Versorgungsangeboten ist wesentlich.
Spezifische Versorgungsaspekte
Zur Gewährleistung einer umfassenden Diagnostik und Versorgung sollten ambulante Versorgung, interdisziplinäre Ausrichtung, pädiatrische Angebote und Rehabilitationsangebote berücksichtigt werden. Stationäre Betten für schwer erkrankte Menschen und Konzepte für Schmerztherapie und Rehabilitation sind erforderlich. Aufsuchende und telemedizinische Konzepte sowie Beratungs- und Koordinationsstellen sollten etabliert werden, um die Versorgung der Betroffenen zu unterstützen.
Ausbau der Versorgungsangebote
Ein Ausbau der Versorgungsangebote und -kapazitäten von Allgemein- und Fachärzt*innen ist dringend erforderlich. Es sollte ein interdisziplinäres, intersektorales und interprofessionell gestuftes Versorgungskonzept mit der Etablierung regionaler Netzwerke verfolgt werden.
Vergütungsmodelle
Aktuelle Vergütungsmodelle decken die Bedürfnisse von ME/CFS und Post-COVID-Syndrom nicht adäquat ab. Zusätzliche Vergütungen für den hohen diagnostischen und therapeutischen Aufwand sind notwendig. Die telemedizinische Versorgung sowie aufsuchende interdisziplinäre medizinische und psychosoziale Versorgungskonzepte sollten angemessen vergütet werden.
Fortbildung und Expertise
Insbesondere im primärärztlichen Sektor sollten verbindliche Fortbildungen von ausgewiesenen Expert*innen zu ME/CFS und den Subgruppen des Post-COVID-Syndroms gefördert werden, um die Qualität der Versorgung zu verbessern.
Die Umsetzung dieser Maßnahmen erfordert eine effektive Zusammenarbeit zwischen Forschungseinrichtungen, Gesundheitsdienstleistern und Patient*innen-Organisationen, um die Behandlung und das Management von ME/CFS und Post-COVID-Syndrom zu verbessern.
6. Der Einfluss von Patient*innen-Organisationen und unabhängigen Forschungsinitiativen
Die Rolle von Patient*innen-Organisationen und unabhängigen Forschungsinitiativen ist im Kontext von ME/CFS und Post-COVID-Syndrom von zunehmender Bedeutung. Insbesondere die ME/CFS Research Foundation spielt eine wichtige Rolle bei der Förderung der biomedizinischen Forschung zu diesen Krankheitsbildern.
Die Rolle der ME/CFS Research Foundation in der Förderung der Forschung
Die ME/CFS Research Foundation spielt eine entscheidende Rolle in der Förderung der Forschung zu ME/CFS und Post-COVID-Syndrom, insbesondere in Deutschland, wo die biomedizinische Forschung zu ME/CFS oftmals nicht ausreichend beachtet und finanziert wird.
Die gemeinnützige ME/CFS Research Foundation wurde 2022 gegründet, um Spenden für die Erforschung von ME/CFS und Long COVID zu sammeln.
Gründung und Ziele
Die Stiftung wurde von Jörg Heydecke, Angehöriger eines ME/CFS-Patienten, und Martin Hippe, selbst ME/CFS-Patient, ins Leben gerufen. Ihr Ziel ist es, biomedizinische Forschungsprojekte zu ME/CFS und Long COVID an universitären Einrichtungen zu fördern und zu finanzieren. Sie ist bereits mit vielen Forscher*innen und großen Patient*innen-Organisationen vernetzt und plant, einen international besetzten wissenschaftlichen Beirat aufzubauen.
Engagement und Netzwerkbildung
Die Gründer der Foundation berichten aus persönlicher Erfahrung von den dramatischen Folgen der medizinischen und gesellschaftlichen Vernachlässigung von ME/CFS. Sie streben danach, die Forschung in diesem Bereich zu beschleunigen und erwarten in den kommenden Jahren signifikante Fortschritte.
Öffentlichkeitsarbeit und Finanzierung
Die Stiftung wirbt öffentlich um Spenden und investiert diese in den Aufbau von Forschungskapazitäten an universitären Einrichtungen. Eine spätere Expansion in Europa ist geplant.
Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS
Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS engagiert sich seit 2016 für die Anerkennung und Aufklärung von ME/CFS sowie für die Fortbildung von Ärzt*innen. Der Vorsitzende, Sebastian Musch, betont die Bedeutung der biomedizinischen Forschung für die Verbesserung der Situation in diesem Bereich.
Insgesamt leistet die ME/CFS Research Foundation einen entscheidenden Beitrag zur Förderung der biomedizinischen Forschung und zur Verbesserung der Situation von Menschen mit ME/CFS und Post-COVID-Syndrom. Durch ihre Arbeit wird die Notwendigkeit einer verstärkten Forschung und einer angemessenen Behandlung dieser Erkrankungen hervorgehoben.
Bedeutung der ME/CFS Research Foundation
Bis Mitte 2021 gab es kaum öffentliche Forschungsgelder für ME/CFS in Deutschland. Die Erkrankungen wurden oft als psychosomatisch fehldiagnostiziert. Erst durch die Aufmerksamkeit auf Long COVID wurde die Notwendigkeit einer angemessenen Forschung und Behandlung dieser Krankheitsbilder anerkannt.
Die ME/CFS Research Foundation setzt sich für die Förderung der biomedizinischen Forschung ein und versucht, die Aufmerksamkeit auf ME/CFS und Long COVID zu lenken. Sie konzentriert sich auf die Finanzierung von Forschungsprojekten und die Vernetzung mit Forscher*innen und Patient*innen-Organisationen. Ihre Initiative ist besonders wichtig in einem Umfeld, in dem öffentliche Mittel für die ME/CFS-Forschung begrenzt sind.
Die ME/CFS Research Foundation leistet eine wesentliche Arbeit, um die Forschung zu ME/CFS und Post-COVID-Syndrom in Deutschland und international voranzutreiben. Angesichts der Herausforderungen in Deutschland, wie der mangelnden Anerkennung und Unterfinanzierung der biomedizinischen Forschung, ist ihre Rolle von entscheidender Bedeutung. Die Foundation trägt zur Förderung von Forschungsprojekten bei, verbessert die Vernetzung zwischen Forschung und Patient*innen-Organisationen und hebt die Bedeutung der biomedizinischen Forschung in diesem Bereich hervor.
7. Schlussfolgerungen: Zukünftige Schritte zur Verbesserung der Forschung und Behandlung
Die Erforschung von ME/CFS und dem Post-COVID-Syndrom steht an einem entscheidenden Punkt. Der Bedarf an umfassender, qualitativ hochwertiger Forschung, die eng mit den Bedürfnissen der Betroffenen verknüpft ist, hat eine nie dagewesene Dringlichkeit erreicht. Folgende Schlussfolgerungen und zukünftige Schritte sind essentiell für eine signifikante Verbesserung der Situation:
Stärkere Investition in Biomedizinische Forschung
Die biomedizinische Forschung zu ME/CFS und Post-COVID-Syndrom muss intensiviert werden. Es bedarf einer stärkeren finanziellen Unterstützung durch öffentliche Mittel und privater Initiativen, wie die ME/CFS Research Foundation, um die Entwicklung effektiver diagnostischer und therapeutischer Ansätze voranzutreiben.
Integration von Forschung, Versorgung und Bildung
Die Verbindung zwischen Forschung, klinischer Versorgung und Bildung ist entscheidend. Ärzt*innen und medizinisches Personal müssen durch zielgerichtete Fortbildungen auf dem neuesten Stand der Forschung gehalten werden, um eine korrekte Diagnose und Behandlung zu gewährleisten.
Einbeziehung der Betroffenen
Patient*innen-Organisationen sollten aktiv in die Forschung und Entwicklung von Behandlungsstrategien einbezogen werden. Ihre Erfahrungen und Bedürfnisse müssen berücksichtigt werden, um zielgerichtete und patient*innenorientierte Lösungen zu entwickeln.
Internationale Zusammenarbeit
Die internationale Vernetzung und der Austausch von Wissen und Ressourcen sind unerlässlich. Durch globale Kooperationen können Erkenntnisse schneller generiert und geteilt werden, was die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden beschleunigt.
Ausbau der Versorgungsstrukturen
Die Schaffung und Förderung spezialisierter Versorgungsstrukturen, insbesondere für schwer Betroffene, muss intensiviert werden. Dies umfasst sowohl stationäre als auch ambulante und telemedizinische Angebote.
Zusammenfassung
Die Forschung und Behandlung von ME/CFS und Post-COVID-Syndrom befindet sich an einem Wendepunkt. Durch gezielte Investitionen, die Integration von Forschung, Versorgung und Bildung, die Einbeziehung der Betroffenen, internationale Kooperationen sowie den Ausbau der Versorgungsstrukturen können entscheidende Fortschritte erzielt werden, um das Leben der Menschen mit diesen Erkrankungen signifikant zu verbessern.